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Hofrat Reiffenstein

Hofrat Johann Friedrich Reiffenstein (1719 – 1793)

Direktor des Erziehungsinstituts für Russische Künstler

Der seit 1763 in Rom lebende Altertumsforscher Hofrat Reiffenstein war bei den Besuchern als Führer und Kunstvermittler beliebt. Er veranstaltete in Frascati abendliche Zusammenkünfte, bei denen die deutschen Künstler sich gegenseitig ihre Arbeiten zur Begutachtung vorlegten. Er verstand es, die lockere Gemeinschaft durch seine Einsicht und Autorität zu ordnen und zu leiten („Italienische Reise“, Frascati, 15. November 1786).

Johann Friedrich Reiffenstein, russischer und sächsischer Hofrat (geb 1719) nimmt Wohnung in Rom, wo er bis zu seinem Tode (1793) bleibt. Befasst sich als Anhänger Winckelmanns mit Archäologie, vermittelt Antikenkäufe nach Deutschland und führt zahlreiche deutsche Reisende durch Rom (Lessing, Goethe, Herder u. a.). Richtet im Palazzo Zuccari ein „studio di antichità“ ein, wo er mit Amateuren Gemmen nachbildet und mit Wachsmalerei experimentiert.

Damals lebte Rath Reifenstein, Mengsens und „Winckelmanns Freund, ein Mann von dem geläutertsten Geschmack in der bildenden Kunst, stets von einer Menge Künstler umgeben, denen er teils Rat in ihrer Kunst, teils Aufträge für auswärtige Fürsten und Privaten erteilte. Diesen schlug er bald jene Art von Enkaustik vor, und in kurzer Zeit hatte sich sein Cabinet mit Gemälden auf Leinwand, Holz, und mehrere Steinarten gefüllt, die er auf alle Weise geprüft, unter Erde, Wasser und widrige Luft gebracht hatte, ohne dass sie Schaden genommen hatten. Hierauf verbreitete sich die neue Erfindung durch viele Werkstätten und pflanzte sich durch die Städte Italiens und auswärtige Länder fort. Es wurden ganze Zimmer enkaustisch gemalt, wie den der Erzherzog Ferdinand, Befehlshaber von Mailand, eines in seinem Landhause zu Monza auf diese Weise malen ließ. In Verzierungen und Landschaften befriedigt bis jetzt diese Kunst mehr, als in Figuren. Jedermann weiß, dass sie noch nicht die Weichheit und feine Vollendung erreicht hat, welche die Alten mit Wachs erreichten.

 

Aus Goethes Tagebuch Italienreise September 1786-1788

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Hofrat Reiffenstein, welcher sein Amt, Fremde zu führen und zu unterhalten, gehörig ausstudiert hatte, konnte freilich im Laufe seines Geschäfts nur allzubald gewahr werden, dass Personen, welche wenig mehr nach Rom bringen als Lust zu sehen und sich zu zerstreuen, mitunter an der grimmigsten Langweile zu leiden haben, indem ihnen die gewohnte Ausfüllung müssiger Stunden in einem fremden Lande durchaus zu fehlen pflegt. Auch war dem praktischen Menschenkenner gar wohl bekannt, wie sehr ein bloßes Beschauen ermüde, und wie nötig es sei, seine Freunde durch irgendeine Selbsttätigkeit zu unterhalten und zu beruhigen. Zwei Gegenstände hatte er sich deshalb ausersehen, worauf er ihre Geschäftigkeit zu richten pflegte: die Wachsmalerei und die Pastenfabrikation. Jene Kunst, eine Wachsseife zum Bindemittel der Farben anzuwenden, war erst vor kurzem wieder in den Gang gekommen, und da es in der Kunstwelt hauptsächlich darum zu tun ist, die Künstler auf irgendeine Weise zu beschäftigen, so gibt eine neue Art, das Gewohnte zu tun, immer wieder frische Aufmerksamkeit und lebhaften Anlass, etwas, was man auf die alte Weise zu unternehmen nicht Lust hätte, in einer neuen zu versuchen.

Das kühne Unternehmen, für die Kaiserin Katharine die Raffaelschen Logen in einer Kopie zu verwirklichen und die Wiederholung sämtlicher Architektur mit der Fülle ihrer Zieraten in Petersburg möglich zu machen, ward durch diese neue Technik begünstigt, ja, wäre vielleicht ohne dieselbe nicht auszuführen gewesen. Man ließ dieselben Felder, Wandteile, Sockel, Pilaster, Kapitäle, Gesimse aus den stärksten Bohlen und Klötzen eines dauerhaften Kastanienholzes verfertigen, überzog sie mit Leinwand, welche grundiert sodann der Enkaustik zur sichern Unterlage diente. Dieses Werk, womit sich besonders Unterberger nach Anleitung Reiffensteins mehrere Jahre beschäftigt hatte, mit großer Gewissenhaftigkeit ausgeführt, war schon abgegangen, als ich ankam, und es konnte mir nur, was von jenem großen Unternehmen übrigblieb, bekannt und anschaulich werden.

Nun aber war durch eine solche Ausführung die Enkaustik zu hohen Ehren gelangt; Fremde von einigem Talent sollten praktisch damit bekannt werden; zugerichtete Farbengarnituren waren um leichten Preis zu haben; man kochte die Seife selbst, genug, man hatte immer etwas zu tun und zu kramen, wo sich nur ein müssiger loser Augenblick zeigte. Auch mittlere Künstler wurden als Lehrende und Nachhelfende beschäftigt, und ich habe wohl einigemal Fremde gesehen, welche ihre römischen enkaustischen Arbeiten höchst behaglich als selbstverfertigt einpackten und mit zurück ins Vaterland nahmen.

Die andere Beschäftigung, Pasten zu fabrizieren, war mehr für Männer geeignet. Ein großes altes Küchengewölbe im Reiffensteinischen Quartier gab dazu die beste Gelegenheit. Hier hatte man mehr als nötigen Raum zu einem solchen Geschäft. Die refraktäre, in Feuer unschmelzbare Masse wurde aufs zarteste pulverisiert und durchgesiebt, der daraus geknetete Teig in Pasten eingedruckt, sorgfältig getrocknet und sodann, mit einem eisernen Ring umgeben, in die Glut gebracht, ferner die geschmolzene Glasmasse darauf gedruckt, wodurch doch immer ein kleines Kunstwerk zum Vorschein kam, das einen jeden freuen musste, der es seinen eignen Fingern zu verdanken hatte.

Hofrat Reiffenstein, welcher mich zwar willig und geschäftig in diese Tätigkeiten eingeführt hatte, merkte gar bald, dass mir eine fortgesetzte Beschäftigung der Art nicht zusagte, dass mein eigentlicher Trieb war, durch Nachbildung von Natur- und Kunstgegenständen Hand und Augen möglichst zu steigern. Auch war die große Hitze kaum vorübergegangen, als er mich schon in Gesellschaft von einigen Künstlern nach Frascati führte, wo man in einem wohl eingerichteten Privathause Unterkommen und das nächste Bedürfnis fand und nun, den ganzen Tag im Freien, sich abends gern um einen großen Ahorntisch versammelte. Georg Schütz, ein Frankfurter, geschickt, ohne eminentes Talent, eher einem gewissen anständigen Behagen als anhaltender künstlerischer Tätigkeit ergeben, weswegen ihn die Römer auch il Barone nannten, begleitete mich auf meinen Wanderungen und ward mir vielfach nützlich. Wenn man bedenkt, dass Jahrhunderte hier im höchsten Sinne architektonisch gewartet, dass auf übrig gebliebenen mächtigen Substruktionen die künstlerischen Gedanken vorzüglicher Geister sich hervorgehoben und den Augen dargestellt, so wird man begreifen, wie sich Geist und Aug‘ entzücken müssen, wenn man unter jeder Beleuchtung diese vielfachen horizontalen und tausend vertikalen Linien unterbrochen und geschmückt wie eine stumme Musik mit den Augen auffasst, und wie alles, was klein und beschränkt in uns ist, nicht ohne Schmerz erregt und ausgetrieben wird. Besonders ist die Fülle der Mondscheinbilder über alle Begriffe, wo das einzeln Unterhaltende, vielleicht störend zu Nennende durchaus zurücktritt und nur die großen Massen von Licht und Schatten ungeheuer anmutige, symmetrisch harmonische Riesenkörper dem Auge entgegentragen. Dagegen fehlte es denn auch abends nicht an unterrichtender, oft aber auch neckischer Unterhaltung.

So darf man nicht verschweigen, das junge Künstler, die Eigenheiten des wackern Reiffensteins, die man Schwachheiten zu nennen pflegt, kennend und bemerkend, darüber sich oft im stillen scherzhaft und spottend unterhielten. Nun war eines Abends der Apoll von Belvedere als eine unversiegbare Quelle künstlerischer Unterhaltung wieder zum Gespräch gelangt, und bei der Bemerkung, dass die Ohren an diesem trefflichen Kopfe doch nicht sonderlich gearbeitet seien, kam die Rede ganz natürlich auf die Würde und Schönheit dieses Organs, die Schwierigkeit, ein schönes in der Natur zu finden und es künstlerisch ebenmäßig nachzubilden. Da nun Schütz wegen seiner hübschen Ohren bekannt war, ersuchte ich ihn, mir bei der Lampe zu sitzen, bis ich das vorzüglich gut gebildete, es war ohne Frage das rechte, sorgfältig abgezeichnet hätte. Nun kam er mit seiner starren Modellstellung gerade dem Rat Reiffenstein gegenüber zu sitzen, von welchem er die Augen nicht abwenden konnte noch durfte. Jener fing nun an, seine wiederholt angepriesenen Lehren vorzutragen: man müsste sich nämlich nicht gleich unmittelbar an das Beste wenden, sondern erst bei den Carraccis anfangen, und zwar in der Farnesischen Galerie, dann zum Raffael übergehen und zuletzt den Apoll von Belvedere so oft zeichnen, bis man ihn auswendig kenne, da denn nicht viel Weiteres zu wünschen und zu hoffen sein würde.

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